Ein Beitrag von BLOCKHELDEN Gründer Simon Brünner

 

Surf-Fight in Malibu

Bouldern steht am Scheideweg, es muss sich entscheiden! 

Wird Bouldern einziehen in die Liga der verrohten Sportarten oder schaffen wir die Mammutaufgabe, unseren Wurzeln treu zu bleiben und ein Sport mit einer herzlichen und freundschaftlichen Community zu bleiben?

Nehmen wir als Beispiel Surfen! Sicher, es ist eine fantastische Sportart. Klischeehaft denkt man dabei an braungebrannte Dudes, die alle Friends sind, Hang Loose sagen und das Lebensgefühl des unendlichen Urlaubs verkörpern. Die perfekte Welle ist alles was sie zu brauchen scheinen. Aber wie so oft trügt der Schein. Surfen ist an vielen Orten zu einer aggressiven Ego-Show geworden, getrieben von einem elitären Lokalismus (Siehe Video). Neulinge und Fremde sind nicht willkommen und sollen aber mal ganz schnell weg von den Hot Spots. 

Wie Bouldern noch ist:

Boulderer schützen und unterstützen sich!

Meistens macht es Sinn aus der Geschichte zu lernen. Meistens macht das keiner! Denn diesmal ist es anders, nicht vergleichbar und überhaupt zu anstrengend sich darüber Gedanken zu machen.

 

Die Vergangenheit 

So wie das Surfen startete das Klettern und Bouldern auch mit ein paar netten Dudes an menschenleeren Orten. Sie machten ein paar harte Moves gemeinsam, chillten in der Natur und naschten abends am Lagerfeuer ein bisschen Marihuana zusammen. Jeder war willkommen. Wichtig war, dass sich niemand verletzte und wenn, dann halfen alle den Schaden zu begrenzen. Fremde gab es nicht, denn falls man am Spot nicht allein war, sagte man eh jedem Hallo und schnackte kurz über den geliebten Sport. Somit kannte man sich spätestens dann, vertraute sich, sicherte sich und gab sich Tipps für den nächsten Klettertrip oder ein noch unbekanntes Boulderblöcklein.

BLOCKHELDEN Gründer Simon Brünner // ca. 2001 //  Magic Wood (Schweiz)

Kletterer zu sein bedeutete damals, sich bewusst in eine Parallelwelt zu begeben. Wo Erlebnisse mehr Wert waren als Materielles. Wo Achtsamkeit mit der Natur selbstverständlich war. Gesunde Ernährung genauso gelebt wurde wie ein zuvorkommender Umgang mit seinen Mitmenschen. Egal ob sau stark oder sau schwach, jeder hatte einfach zusammen eine gute Zeit. Neue Leute kennen zu lernen war Teil des Verlangens selbst zu reisen.

BLOCKHELDEN Gründer Simon Herr //  ca. 2000 // Rocklands (Südafrika)

Die Gegenwart – Anno 2021

Im Jahr 2021 angekommen ist davon leider ziemlich viel verloren gegangen. “Servus” sagt sich schon lange keiner mehr. Viele kommen an den Fels und platzieren ihren Seilsack reservierend am Routeneinstieg, so wie die Kreuzfahrttouristen ihre Handtücher auf die Poolliegen werfen. 

 

Natürlich war man früher fast immer alleine, somit war das nicht nötig. Aber wenn doch mal jemand dazugekommen ist, dann hat man sich freundlich ausgetauscht, dem anderen sein eigenes Seil in der Route gelassen und ihm die Griffe geputzt. An vielen Orten ist das auch noch geblieben. Vorrangig aber an Felsen, die “schwerer” und “gefährlicher” sind, denn aufgrund des Schwierigkeitsgrades sind die Kletterposer hier schlichtweg nicht anwesend.Die einfachste Art „Newschooler aus falschen Motiven“ zu erkennen, ist Unfreundlichkeit. Diese Unfreundlichkeit, die er oder sie aus seiner gewohnten Umgebung mit in unseren Sport bringt, lässt sofort erkennen, dass er nicht im Klettern groß geworden ist. Willst du also nicht auffallen als Neuling, lass deine Coolness fallen und sag einfach jedem freundlich Hallo oder Servus, wenn du bei uns in Franggen bist. Sei hilfsbereit und entspann dich! 

Wenn du ein alter Hase bist, ist es an dir, es vorzuleben, nicht zu belehren, sondern mit gelebtem Beispiel voran zu gehen. Das erfordert Geduld und auch eine gewisse Frustrationstoleranz, ich weiß. Aber wer, wenn nicht Du, lebst es vor?

Zurück zu den unschönen Seiten: Die einfach zugänglichen und vom Fallgelände sicheren Boulderspots zeigen den Newschool-Trend unverblümt. Auf dem Parkplatz eine Muskelshow, die ersten Stylemobile wie beim Surfen platzieren sich auf den Flächen. Nicht mehr Funktion zu günstigstem Preis, sondern Farbnuancen im Lack und Off-road Scheinwerfer mit Chromkante sind wichtig. 

Jan Hojer (stehend / Worldcupsieger),  Alexey Rubsov (sitzend / Weltmeister) und im 
Hintergrund Jernej Kruder haben Spaß bei der Qualifikation des Internationalen Bouldercup
Frankenjura zu Gast bei den BLOCKHELDEN

 

Die Zukunft – Anno 2030

Nun gibt es zwei Wege, deren Manifestation wir in 10 Jahren unverrückbar erleben dürfen:

 

  1. Die Gesellschaft infiltriert Bouldern:

a.k.a. DIE WAHRSCHEINLICHE

Die Gesellschaft mit ihren Werten hat sich im Bouldern etabliert. Boulderschuhe kosten mitunter auch mal 350€. Hallo sagt man nur denen mit 350€ Schuhen, denen mit gleich großem Bizeps, denen im gleichen Alter und mit gleichem Bart. Wenn einer der Starken die Matte betritt, hat der Schwache ehrfürchtig zu gehen. Worte werden hierbei nicht gewechselt. Es gibt Boulderhallen für Coole. Und Boulderhallen für die anderen. Das Internet ist voll von Fight Videos von Boulderern, die sich im Wald prügeln. ( Yup, die Surfer haben darüber auch gelacht…)

 

  1. Bouldern infiltriert die Gesellschaft:

a.k.a. DIE ANSTRENGENDE VARIANTE

Wir, die Kletterer, sind uns unserer Werte und Lebenseinstellung bewusst und tragen diese stolz und selbstbewusst in die Gesellschaft. Wir erziehen nicht, sondern wir leben vor. In den Kletterhallen und Boulderhallen tragen wir Gutes mitten in die Gesellschaft. 

Dazu gehört oft und freundlich Hallo sagen, auch wenn man verwirrt angeglotzt wird… einfach weiter Hallo sagen. 

Dazu gehört jeden gleichwertig mit aufzunehmen. Ob Nerd, Gamer, Muskelprotz oder Muslim oder alles zusammen. Ob homosexuell, schwarz und Britney Spears Fan oder durchschnittlich oranger monogamer Hetero.

Beim Bouldern ist das egal. Uns ist das egal.

 

Wir leben in den Herzen der Städte vor, warum jeder vor uns Kletterer geworden ist. Wir sind Kletterer, weil uns

  • das Erlebnis wichtiger ist als das Besitzen. 
  • Gemeinschaft wichtiger als Gewinnen
  • uns Freundlichkeit mehr beeindruckt als Leistung
  • wir uns als Teil der Natur erleben 
  • weil wir nie aufgehört haben zu Spielen

SIMON BRÜNNER – Februar 2021

4 Kommentare

  1. Ein bisschen sehr verklärt die Vergangenheit. Früher(TM) war Klettern und Bouldern noch weitaus ausschließender als heute. Gut aussehende Bois, die oberkörperfrei an der Wand stehen. Für alle anderen war kein Platz. Für Frauen schon mal gar nicht und wenn sich doch mal eine an den Fels verirrt hat, gab es den gleichen Sexismus wie auch im Surfen.
    Also mag sein, dass es heute mehr Menschen gibt, die bouldern und damit auch mehr problematische Charaktere. Aber die Vergangenheit ist längst nicht so unproblematisch wie hier dargestellt.

  2. Ich höre nicht auf an eine Kultur des Miteinanders zu glauben und diese zu leben. Jetzt mehr den je.
    Anstrengend ist das für mich nicht, da dieser Wert im Wesen verankert ist.
    Infiltration passiert nur dort, wo Du es zuläßt.

  3. Das hast du wirklich schön dargestellt. Und ja, es braucht wirklich oft Geduld Neulingen nah zu bringen, was Bouldern (insbesondere am Fels) noch so ausmacht, außer die sportliche Komponente. Und ich stimme dir voll und ganz zu, dass die “alten Hasen” eine besondere Verantwortung tragen das vorzuleben. Dass es in diesem Sport wirklich egal ist, wie schwer jemand bouldert, ist doch eigentlich ziemlich cool. Grade in der Boulderhalle, wo schwere und leichte Boulder direkt nebeneinander liegen, kann man mit jedem Spaß haben, ohne dass man am gleichen Problem feilt.

  4. Kann ich so nur zustimmen

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